… Kluft, das Titelstück: der E-Bass tastet sich durch eine zerklüftete Funk-Stimmung, das Schlagzeug koloriert die Brachflächen, vom Vibrafon kommt ein verhaltener Vamp-Riff, bis schliesslich Coburgers Tenorsaxofon mit breit schmatzendem Ton der Spannung Richtung und Dynamik verleiht.
Coburger verbeisst sich in die Melodien, lässt sein Horn singen, wimmern, schreien, er verweigert ihnen die harmonische Auflösung, kaut auf einzelnen Tönen, als wollte er ihnen immer noch ein zusätzliches Aroma abgewinnen. Nicht nur am Spiel des Saxofonisten wird schnell deutlich, dass die Musik des Quartetts bei allen Verbeugungen vor dem Olymp des hymnischen Jazz der Sechziger, vor Shepp, Barbieri, Coltrane oder auch dem frühen Garbarek, nie in die Starre der Heiligenverehrung verfällt.
Diese Musik ist kein Maskenball, auch kein postmodernes Match mit Identitäten und Rollenerwartungen, mit Witz und Ironie, sondern ein offenes Spiel von vier Individualisten, das gerade in der Vielfalt des Disparaten und der Spannung zwischen seinen Elementen seine Schönheit zeigt.
Manchmal karg und leise, manchmal auch laut und üppig, aber immer kontrolliert. Längst sind aus den Gästen Zuhörer geworden, längst konzentriert sich die Spannung auf die vier Musiker auf der Bühne, wo man der Musik beim Leben zuschauen kann.Stefan Hentz - DIE ZEIT